Über das Dröhnen des Generators hinweg erscholl immer wieder lautes Gelächter, als wir Samstag vor einer Woche endlich unser Kino aufbauen konnten. Die Leinwand besteht aus einem Bettbezug, den wir zwischen zwei Holzleisten aufgespannt haben. Im Park durften wir den Abend ohne polizeiliche Erlaubnis nicht durchführen. Es ist insgesamt schwierig, innovative oder auch simple Ideen in der Öffentlichkeit der Stadt umzusetzen. (So mussten wir etwa eine einfache blaue Leine, die wir als Netz im Park dort aufgespannt hatten, wo die Menschen ohnehin Volleyball spielen, gleich wieder abnehmen.) Nach einigem Hin und Her haben wir Leinwand, Projektor, Boxen und Generator dann bei den verlassenen Lagerhallen aufgebaut, bei denen viele Schutzsuchende ihre Nächte verbringen. Dort gibt es keine direkten Anwohner, sodass das Argument der Lärmbelästigung wegfiel. Die Schutzsuchenden waren begeistert und viele konnten zum ersten Mal seit langem wieder aus vollem Herzen lachen. Am Ende tauchte dann doch die Polizei auf, um „den Stecker zu ziehen“, aber zu diesem Zeitpunkt waren wir ohnehin bereits mit dem Abbau beschäftigt.

Ein großes Dankeschön geht an Uli Leitinger und ihre Töchter, die auf ihrem Weg einen Abstecher über Belgrad gemacht und uns eine Tafel mit Whiteboard, Stifte und Schreibhefte dagelassen haben, die in unserem kulturellen Zentrum für Projektarbeit und Sprachunterricht Verwendung finden werden.

Am Donnerstag ist es dann auch endlich so weit! Wir haben Räumlichkeiten gefunden, in denen wir das Zentrum aufbauen können. Auf 72 qm auf zwei Etagen werden wir Schutzsuchende und Interessierte willkommen heißen können, um zu Entspannung, Kreativität, Austausch und Integration beizutragen.

Das baldige kulturelle Zentrum

Zwei, die die Eröffnung des Zentrums nicht mehr miterleben werden, sind Alba und Elena. Nachdem sie am Montag vergangener Woche bereits haben abreisen müssen, erreichten uns jeden Tag die gleichen Fragen: „Sind sie wirklich weg?“ „Wann kommen sie wieder?“ „Seid ihr ganz sicher, dass sie weg sind?“
Auch wir vermissen sie sehr und möchten uns bei ihnen für ihren Einsatz, ihre Kreativität und ihren herzlichen Umgang mit den Menschen, die sie berühren, bedanken!

Zwei sind weg, zwei neue sind da. Am Mittwoch erhielten wir Verstärkung aus Deutschland, als Flo und Kristian gegen Mittag Belgrad erreichten. Mit frischer Energie unterstützen sie unsere Arbeit gerade zur rechten Zeit. Denn ab Montag bereits werden wir in einem kleinen Schuppen arbeiten können, der zu unseren neuen Räumlichkeiten gehört, wo dann Holz gesägt, geschliffen und zusammengeschraubt wird, um das Inventar des Zentrum zu erweitern. Dieser Schuppen ist leider zu klein, um die geplante Holzwerkstatt darin einzurichten. Dafür suchen wir nach wie vor nach einem geeigneten Ort. Jedenfalls haben wir gerade genug Helfer, um unsere Arbeit im Park aufrechtzuerhalten, während schon Regale, Bänke und anderes gezimmert wird.
Am gestrigen Sonntag sind die beiden zusammen mit Willi extra früh aufgestanden, um sich auf einem großen Belgrader Flohmarkt nach günstigen Errungenschaften für das Zentrum umzusehen. Unter anderem erstanden sie vier Teppiche, die für die nötige Gemütlichkeit sorgen werden.

Fette Flohmarkt-Beute

Leider erreichen uns immer wieder Berichte und verstörende Bilder von Menschen, die aufgrund der geringen Möglichkeiten, die Grenze nach Ungarn legal zu überqueren, ihr Glück mit den Schmugglern versuchen. Auf ungarischer Seite werden von den Grenzschützern vermehrt Hundestaffeln eingesetzt und die Verletzungen, die viele davontragen, sind schockierend. Klaffende Fleischwunden und Gebissspuren sprechen eine deutliche Sprache.

Während letzte Woche Samstag der Generator dröhnte und wir beobachten konnten, wie ausgelassen und glücklich eine einfache Filmprojektion die Menschen machte, kam uns die Idee, einen eigenen Kurzfilm mit Schutzsuchenden als DarstellerInnen zu drehen. Willi und Henry erarbeiteten einen Plot, für den Carlo dann ein Storyboard zeichnete. Am Donnerstag machten wir uns dann nach dem „Casting“ daran, unser Projekt umzusetzen und alle Beteiligten hatten eine großartige Zeit. Der Film ist eine Agentengeschichte, inspiriert von den James Bond Filmen. Natürlich können wir keinen professionellen Film drehen, weshalb wir alles mit unseren Handykameras aufnehmen und die nötigen Requisiten aus Pappe basteln. Willi und Henry hatten bei ihrem Location Scouting in einem Müllcontainer weggeworfene Baupläne gefunden, von denen sie dachten, dass sie sich in den Aufnahmen gut machen würden. Als wir am Freitag im Park noch an ein paar Requisiten bastelten und unsere Darsteller schon ungeduldig darauf warteten, dass es endlich weiter gehen würde, fielen wir anscheinend den Gesetzeshütern als suspekt auf. Wir konnten sie leider nicht davon überzeugen, dass es sich schlichtweg um ein Kunstprojekt handelt, um mit den Menschen Spaß zu haben und ihre eigene Kreativität zu fördern. Dass wir Baupläne irgendeines serbischen Gebäudes dabei hatten, verbesserte unsere Lage nicht gerade. Die Requisiten wurden beschlagnahmt und wir haben uns erstmal einen Drehstopp verordnet, bis sich die Gemüter wieder herunter gekühlt haben. Wir wissen bis heute nicht, um was für Baupläne es sich eigentlich gehandelt hat aber einer der Polizisten merkte an: „Für die Story eures Films wären sie perfekt gewesen …“

Schnappschuss am Set

Wenn ihr unsere Arbeit unterstützen wollt, könnt ihr uns mit Informationen, Geld- oder Sachspenden helfen, oder eure Interessen, Ideen und Fähigkeiten vor Ort zur Geltung bringen lassen!

Verfasst von Henry

Kategorien: Belgrad

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