Die Zeit des Fastenmonats der Muslime und Muslima, genannt Ramadan, hat begonnen. Ein Großteil der Geflüchteten dürfen laut ihres heiligen Buches von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts essen, nichts trinken und nicht rauchen, weitere Bräuche zeigen sich in verschiedenster Ausprägung des Glaubens bei den Menschen, was für uns alle sehr interessant ist zu beobachten. Dies bringt in unserer Organisation des Alltags natürlich neue Aspekte ein, nach denen wir uns richten müssen bzw. wollen. Aber ist es denn sinnvoll auf einer Flucht, vielleicht noch von Verletzungen und allgemein von den Umständen und Hunger gezeichnet, solch ein Ritual zu leben?

Der Koran besagt: „Und wenn einer krank ist oder sich auf einer Reise befindet (und deshalb nicht fasten kann, ist ihm) eine (entsprechende) Anzahl anderer Tage (zur Nachholung des Versäumten auferlegt). Gott will es euch leicht machen, nicht schwer. Macht darum (durch nachträgliches Fasten) die Zahl (der vorgeschriebenen Fastentage) voll und preiset Gott dafür, dass er euch rechtgeleitet hat! Vielleicht werdet ihr dankbar sein.“

– Koran: Sure 2, am Ende des Verses 185“.

Also gäbe es für sie die Möglichkeit, das Fasten zu unterbrechen, doch für uns als Helfende sowie für die Geflüchteten ist klar, Ramadan findet statt und wir unterstützen sie in der Ausübung ihrer Religion, indem wir unsere Zeiten der Essensausgabe, der Duschen etc. nach hinten verlegen. Doch warum tun wir das? Für die Menschen auf der Flucht, die sich aus den verschiedensten Gründen und Nöten auf den Weg nach Europa machen, mit all den Strapazen, von denen sie geplagt sind, ist der Glaube das Wichtigste, das sie vor allem psychisch noch einigermaßen gesund bleiben lässt. Oft bin ich erstaunt, welche Motivation diese Menschen immer wieder schöpfen, wie sie noch lachen, tanzen und Spaß haben können bei einer so großen Hoffnungslosigkeit, die die meisten umtreibt, denn die meisten Fluchtversuche scheitern und das Leben der Menschen stagniert über längere Zeit.

Nehmen wir an, eine*r unserer Mitbürger*innen verliert seinen Job. Das, was sein*ihr Leben ausfüllt und was ihm*ihr seinen*ihren Lebensstandard finanziert, geht verloren. Die meisten verlieren einen Alltag, werden psychisch labil, weil sie nichts mehr haben, an dem sie sich festhalten können. Erreichen sie wieder den Punkt einer für sie sinnvollen Betätigung, verbessert sich auch die psychische Situation und sie können ihr Leben wieder glücklicher fortsetzen. Die meisten Geflüchteten hier haben oftmals ihre Heimat verloren, an eine berufliche Betätigung gar nicht zu denken bei der Situation in ihren Heimatländern. Der Glaube ist für sie ein Wegweiser in einem Umfeld der völligen Orientierungslosigkeit und der Suche nach einem Halt im Leben und Feste wie Ramadan geben den Menschen einen Alltag, der ihnen für diese schweren Zeiten sehr gut tut.

Einige Male sieht man auch bei den Duschen, wie sie gegen ihren inneren Schweinehund kämpfen, das Essen, das sie noch haben, nicht anzurühren und wir deswegen aus Rücksichtnahme nicht vor ihren Augen unser mitgebrachtes Mittagessen verzehren. Da wir hier sind, um zu helfen, ist es für uns selbstverständlich, dass wir uns nicht nur um die physische Versorgung kümmern, sondern dass wir es den Menschen auch psychisch erleichtern, ihr Leben in dieser Situation zu bestreiten. Außerdem schult es uns im Umgang mit Menschen anderer Glaubens– und Kulturgemeinschaften. Dies ist etwas, das hier alle von uns bereichert und was es einem vielleicht leichter macht, gewisse Situationen einschätzen zu können und gesellschaftliche Konflikte besser für sich selbst einzuordnen. Wir hoffen auf weitere positive Erlebnisse mit den Geflüchteten und sehen das Ramadanfest auch wirklich als ein Fest und weniger als eine Last für unsere Arbeit.

Geschrieben von Max

Kategorien: AllgemeinŠid

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