Wir fangen langsam an, Pläne für die Zeit zu schmieden, in der wir nicht nur zu viert sind. Denn für uns war es erst mal schwierig herauszufinden, wie wir unsere Arbeitskraft am Besten einsetzen können. Deshalb haben wir heute viele Gespräche geführt. Nicht zum ersten Mal, dafür aber zum ersten Mal mit den wirklich richtigen Personen. Zuerst mit einer Freundin aus der Werkstatt, die dort die Helfenden koordiniert. Sie hat uns von zwei Projekten im Jungle erzählt, über die wir morgen mehr erfahren. Beides sind eigenverantwortliche Bauprojekte, bei denen wir unsere Erfahrung und das mitgebrachte Werkzeug gut einsetzen können.
Außerdem waren wir heute im Baumarkt und haben uns für ca. 300 Euro eine Grundausstattung an Baumaterialien zugelegt, die wir im Jungle zum reparieren von Hütten und Zelten brauchen. Denn darum wurden wir schon oft von Flüchtenden gebeten, denen der Sturm irgendetwas zerstört hatte.
Nachdem uns jemand von MSF (Ärzte ohne Grenzen) einen Überblick gegeben hat, wer im Jungle für welche Arbeiten zuständig ist, haben wir uns mit einer motivierten Truppe von Acted getroffen, eine NGO, die derzeit vom Staat bezahlt wird um die gerichtlich festgelegten infrastrukturtechnischen Mindeststandarts zu erfüllen. Unter anderem kümmern sie sich auch um die Befestigung der Straßen. Leider bekommen sie dafür vom französichen Staat massiv zu wenig Geld und sind deshalb auf ehrenamtliche Hilfe angewiesen. Außerdem ist es ihnen nicht gestattet, eine permanente Infrastruktur aufzubauen. Denn der Jungle ist ja nichts, dass man langfristig haben möchte…
Das heißt: Man will den Menschen auch nicht ernsthaft was Besseres bieten. Pierre von Acted hat schon ein paar Straßenabschnitte mit verschiedenen Schotterarten zu befestigen versucht und seine dabei gesammelte Erfahrung an uns weitergegeben. Gemeinsam mit ihm haben wir uns für eine ca. 200m lange Strecke entschieden, die wir befestigen möchten. Zur Zeit ist ein Teil des Lagers nicht ans Straßennetz angeschlossen, das möchten wir ändern. Eine befestigte Straße bedeutet für die dort lebenden Menschen, dass sie sanitäre Anlagen und eine Müllstation zur Verfügung gestellt bekommmen können – eine wesentliche Verbesserung der Situation.
Es besteht auch die Möglichkeit, den Abschnitt bis zu einer der Hauptstraßen weiterzubauen, um eine weitere Notfallstraße (Evakuierung, medizinische Notfälle, Fluchtweg) zu schaffen. Das ist aber nur mit weiteren Spendengeldern möglich, derzeit sind wir hier noch auf der Suche. Wir rücken also direkt nach den Weihnachtsfeiertagen mit der Planierraupe an!
Eigentlich wollten wir uns heute Abend mal einen Schwimmbadbesuch gönnen, Duschen muss man halt doch ab und zu mal. Im Schwimmbad erklärte man uns dann, dass wir außer unseren Pässen noch eine Bescheinigung brauchen, dass wir irgendwo Steuern bezahlen. Eine Rechnung vom Elektrizitätswerk würde auch ausreichen… Natürlich unmöglich für uns, so etwas auf die Schnelle zu bekommen. Noch unmöglicher für gestrandete Flüchtende, die sich hier eine Dusche gönnen wollen, die sie im Jungle nirgendwo bekommmen. Bürokratisch geschickt versteckter Rassismus. Ein Besucher der Schwimmbads konnte uns auch bestätigen, dass diese Regel wegen „Problemen mit Migranten“ eingeführt wurde. In einem Hostel wurden wir ebenfalls abgelehnt, trafen aber einen anderen Freiwilligen, der uns zu einem weiteren Hostel brachte, wo wir kostenlos duschen konnten. Endlich! Fast wie Weihnachten.
Verfasst von Martin
2 Kommentare
Bettina · 23. Dezember 2015 um 23:18
Ihr Lieben! Es ist mir immer eine große Freude Eure Berichte zu lesen. Wann hat man schon mal die Gelegenheit von so „dicht dran“ Eindrücke vermittelt zu bekommen. Danke. Ich wünsche Euch einen schönen Vorweihnachts-Abend.
schlappereisbaer · 24. Dezember 2015 um 12:41
Ihr seid krass… Als ich bei Jakob „sein“ Geburtstagsgeschenk in Form einer Spende an euch in die Dose warf, hatte ich beinahe ein schlechtes Gewissen, nicht auch mit ihm nach Calais zu fahren.
Euer Bericht aus Idomeni hat mir besonders deswegen großen Respekt vor euch eingeflößt, weil ihr statt nur drüber zu diskutieren wo, wie und was ihr helfen KÖNNTET, einfach hinfahrt. Dort wird sich alles andere weisen und geholfen werden kann überall.
Ich finde das bewundernswert!!!! Daher wünsche ich euch ein bestmögliches Gelingen eurer Hilfsprojekte in Calais!