Rigardu wird in Serbien nicht länger gebraucht, deshalb haben wir uns dazu entschlossen, unser humanitäres Projekt in Subotica zu beenden. Die Koffer sind bereits gepackt, die Wohnung leergeräumt und der Transporter mit den letzten Freiwilligen und einigem Material auf dem Weg nach Deutschland.
Seit März 2017 waren wir nun in Serbien aktiv und haben uns besonders auf die hygienische Versorgung von zeitweise bis zu 300 Flüchtenden konzentriert. Dafür verfügen wir über ein in unserem Transporter fest installiertes System, mit dem wir täglich bis zu 100 Duschen anbieten können. Zusätzlich haben wir Flüchtende mit frisch gewaschener Kleidung versorgt, Hygieneartikel wie Zahnbürsten und Rasierer verteilt, sowie eine mobile Handyladestation angeboten. Nicht zuletzt waren wir dabei oft mehr als „nur“ die Menschen, die Seife verteilt haben: Durch unsere Unterstützung konnten wir uns mit Flüchtenden solidarisieren und ihnen das Gefühl geben, dass uns ihre Situation nicht egal ist.
Mit unserer Anwesenheit haben wir auch einen Teil dazu beigetragen, dass Menschenrechtsverletzungen durch Grenzbeamt*innen an der europäischen Außengrenze zu Serbien sichtbar wurden.
Immer wieder haben sich Fluchtrouten, Aufenthaltsorte von Flüchtenden, aber auch die Unterstützung durch verschiedene staatliche und nichtstaatliche Organisationen verändert, sodass wir den Ort unserer Angebote anpassen mussten. Deshalb waren wir zunächst in Subotica an der serbisch-ungarischen Grenze aktiv, dann an der serbisch-kroatischen Grenze in Šid und zuletzt seit Herbst 2017 wieder in Subotica.
Nun hat sich die Situation in den letzten Monaten aber grundlegend verändert: Die serbisch-ungarische Grenze ist fast unüberwindbar gesichert und selbst wer es schafft, muss damit rechnen, in Ungarn aufgegriffen und inhaftiert zu werden. Deshalb hat sich die sogenannte Balkanroute nach Süden verschoben: Flüchtende versuchen vermehrt durch Bosnien und Herzegowina nach Kroatien zu reisen. Für uns bedeutet diese Veränderung, dass unsere Angebote in den vergangenen Wochen nur noch von 10-30 Menschen in Anspruch genommen wurden.
In Bosnien und Herzegowina hat sich übrigens bereits eine ehrenamtliche Unterstützungsstruktur entwickelt, mehrere nichtstaatliche Organisationen versorgen Flüchtende mit Lebensmitteln, Kleidung, Hygieneangeboten und Informationen.
Unser Projekt in Serbien kostete uns monatlich zwischen 1000 und 1500 Euro Spendengelder. Mit diesem Geld haben wir Hygieneprodukte gekauft, die Wasserrechnung bezahlt, Material (Waschmaschinen, Duschzelte, usw.) gekauft und unseren Transporter finanziert. Unsere freiwilligen Mitarbeiter*innen haben währenddessen die Kosten für Unterkunft und Verpflegung aus eigener Tasche bezahlt.
Es ist nachvollziehbar, dass der finanzielle Aufwand für die Anzahl der Flüchtenden in Subotica in letzter Zeit vergleichsweise groß war. Trotzdem: wir arbeiten nicht profitorientiert und bewerten unsere Arbeit auch nicht nach entsprechenden Maßstäben. Solange mindestens ein Mensch auf unser Angebot angewiesen ist, würden wir alles daran setzen, den Menschen nicht im Stich zu lassen. Glücklicherweise waren wir in Subotica nicht allein, auch die spanische Organisation Escuela con Alma war dort aktiv um Flüchtende mit Lebensmitteln zu versorgen. Die Zusammenarbeit zwischen Escuela con Alma und Rigardu war intensiv und stets vertrauensvoll. Deshalb freuen wir uns, dass Escuela con Alma unser Projekt fortführen wird, solange es nötig ist! Durch die geringe Anzahl an Flüchtenden in Subotica, ist es möglich, beide Angebote parallel zu stemmen. Das nötige Material haben wir selbstverständlich weitergegeben.
Für viele beteiligte Rigardus ist das Ende unseres Projekts in Serbien auch mit der Herausforderung des Loslassens verbunden. Loslassen von einem Projekt, dass uns anderthalb Jahre beschäftigt, gefordert, manchmal zum Verzweifeln gebracht hat. Loslassen von einem Ort mit dem wir intensive Erfahrungen und Freundschaften verbinden. Loslassen von dem Gefühl, wirklich mal was tun zu können gegen den Scheiß, der in unserer Welt passiert.
Wir wissen aber auch, dass es eine vernünftige und richtige Entscheidung ist. Und selbstverständlich sind wir neben unserer politischen Bildungsarbeit in Deutschland und dem Anprangern von Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen längst dabei, neue Aktionen zu entwickeln. Ein humanitäres Projekt in Bosnien und Herzegowina ist dabei genauso denkbar wie ganz andere Ideen und Methoden um die humanitäre Situation Flüchtender zu verbessern. Es wird auf jeden Fall spannend und wir werden nicht lange auf uns warten lassen!
Verfasst von Martin
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