Am 27.02. ist eine zweite Voluntiere Gruppe, Luzie, Mattis, Johanna und Lolla, wieder nach Frankreich aufgebrochen. Seit dem wir im Januar Frankreich verlassen haben, ist politisches einiges passiert, weswegen wir uns am Abend unserer Ankunft erst einmal ein Überblick verschaffen mussten. Außer Lolla war noch niemand von uns zuvor in Grande-Synthe und so war der erste Gang durch das Camp für alle bedrückend.
Der penetrante Geruch von verbranntem Plastik, Schlamm und Fäkalien stieg uns in die Nase. Die entwürdigenden Umstände in denen die schutzsuchenden Menschen hier teilweise schon seit Monaten ausharren, machten uns betroffen. Im Prinzip haben sich die Zustände vor Ort im Vergleich zum Januar kaum geändert. Allerdings hat die IHA (Intereuopean Human Aid Association) am Camp Eingang ein Infozelt aufgestellt. Hier bekommen Freiwillige einen guten Überblick über Strukturen und mögliche Aufgaben die erledigt werden müssen. Neben Kochen und Essensausgabe geht es im Moment bei der Arbeit zum Beispiel darum, eine Art provisorische Infrastruktur aufzubauen. Das Augenmerk liegt hier auf den Schlammwegen, welche versucht werden mit Paletten passierbar zu machen und darauf neue Versorgerhütten hochzuziehen. An das nötige Material zu kommen, ist leider weiterhin ziemlich schwierig. Was ins Camp gebracht werden darf, ändert sich von Stunde zu Stunde, meint Janus von der IHA. Daher muss man beim Bauen sehr kreativ werden, viele Sachspenden wurden hierfür zweckentfremdet. Ein weiteres Problem ist weiterhin der Müll. Teilweise hat man zwangsläufig das Gefühl, auf einer riesigen Müllkippe zu sein; zerrissene Zeltplanen, Kleidung, Plastik und Essenreste vermengen sich mit Mengen an grauem Schlamm, der hier alles einnimmt.
In der “Volxsküche” trafen wir auf ein paar Freiwillige aus München. Diese Gruppe ist schon seit 14 Tagen hier und konnten in der Zeit schon einiges aufbauen. In einem alten Militärzelt befindet sich die Vokü, in der einmal am Tag für alle Freiwilligen, die hier im Lager helfen, warm gekocht wird. Die Gruppe aus München ist auch gerade dabei einen mobilen Brotbackofen zu organisieren, damit die Menschen sich selbstbestimmt ihr Brot backen können. Der langfristige Plan ist, dass eine eigene Bäckerei entsteht, welche von geflüchteten Menschen betrieben werde soll. Diese Hilfe zur Selbsthilfe finden wir sehr gut und Unterstützens wert.
In einem Vorbau, aus Plastikplanen ist eine Wäsche-Waschstraße für alle aufgebaut. Warmes Wasser, welches dauerhaft in einer alten Feldküche aufgewärmt wird. Den Menschen soll endlich ermöglicht werden ihre Anziehsachen zu wachen, damit diese erneut getragen werden und die Kleiderspenden nicht nur in den Schlamm gepumpt werden.
Wie wir bereits im Januar berichtet haben, soll das illegalisierte Camp in Grande-Synthe im März geräumt werden. Das neue Camp von MSF ist laut Plan ab dem 07.03. bezugsbereit. Die Aufklärungsarbeit über das neue Camp läuft allerdings nur sehr schleppend. Die meisten Geflüchteten wollen nicht umziehen, da sie Angst vor einer Zwangsregistrierung haben und auch davor, dass sie im neuen Camp keinen Platz finden. Denn die Zahl der zurzeit lebenden Menschen im Camp ist nur eine vage Schätzung und die Plätze im neuen Camp sind auch irgendwann ausgeschöpft. Zudem kommt hinzu, dass der Jungle in Calais gerade systematisch, Stück für Stück geräumt und platt gemacht wird, wodurch vor allem immer mehr kurdische Menschen in das Camp nach Grande-Synthe kommen. Die allgemeine Einschätzung der Freiwilligen ist, dass neue kleine Camps entstehen werden.
So oder so steht allerdings fest, dass das Camp in Grande-Synthe geräumt wird, da dort ab April ein Ecovillage auf dem Gelände entstehen soll. Trotz der prekären Umstände und den negativen Aussichten ist es tendenziell eher friedlich im Camp. Wir haben viele Frauen und Kindern gesehen die gemeinsam gespielt haben. Die Not und die Langeweile machen die Menschen erfinderisch, in positiver wie auch in negativer Art und Weise. Uns wurde von der „Mafia“ erzählt, wer das genau ist und was die machen wissen wir allerdings nicht.
Das Sachspendendilemma besteht weiterhin. Es kommt uns vor wie ein Voluntourismus. Viele Menschen kommen, spenden Dinge die überhaupt nicht gebraucht werden und machen Selfies mit den geflüchteten Menschen. Durch das selbstständige Spendenverteilen wird leider auch das aufgebaute System zerstört.
Unsere Aufgaben bestanden heute darin, begehbare Wege durch den Schlamm zu bauen, mit allem was wir vorfinden konnten, also auch Sachspenden. Außerdem haben wir bei der Waschstraße für Anziehsachen und Geschirr ausgeholfen und dort immer wieder frisches, erhitztes Wasser hin transportiert und ausgetauscht.
Verfasst von Lolla
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