Nachdem die Voluntiere vor 2 Wochen aus Idomeni abgefahren sind, kamen wir diesen Sonntag morgen zu dritt mit vollgepacktem Auto und Hänger wieder an. Mit dabei waren 50 Zelte, 3 Kisten mit Töpfen und Pfannen und mehrere Smartphones. Im Camp kochen die Menschen immer öfter selbständig und oft werden Essenspakete ausgegeben und keine fertig gekochten Mahlzeiten mehr, weswegen Töpfe und Pfannen gerade sehr wichtig sind. Wenn den Menschen hier ihr Smartphone kaputt oder verloren geht, haben sie keine Möglichkeit mehr, Kontakt nach Hause herzustellen, Skype zu nutzen für die Registrierung oder sich zu informieren. Daher haben wir in Deutschland ein paar Smartphones gesammelt.
Obwohl man auf dem Feld noch den Platz erkennt, auf dem mehrere Wochen lang unsere Jurte stand, hat sich seitdem viel verändert: Auf dem Platz gibt es keine Kinderbetreuung mehr, sondern es gibt auf der anderen Seite vom Camp ein kulturelles Zentrum in dem Schule und andere Aktivitäten stattfinden. Es gab viele Sachspenden für das Infozelt, so dass es nun super ausgestattet ist mit mehreren Computer, Internet, eigenem Beamer für das Kino und zwei Genereatoren. Im Camp gibt es mittlerweile viele Menschen, die ihr eigenes „Geschäft“ eröffnen. Es werden Essen, Zigaretten, Handys und Schuhe verkauft und bei uns in der Nähe bekommt man bei einem Syrer leckere selbstgemachte Falafel. Das Protestcamp auf den Bahnschienen gibt es nicht mehr.
Entgegen unserer Erwartungen und der Darstellung in den deutschen Medien ist die Stimmung im Camp insgesamt sehr ruhig und entspannt. Letzten Donnerstag wurde ein Freiwilliger aus dem Teezelt verhaftet, weil er ein Taschenmesser im Auto hatte. Er ist nun 3 Jahre auf Bewährung, ansonsten muss er für 4 Monate ins Gefängnis. Seitdem wir hier sind, gab es keine Verhaftungen mehr. Wir mussten schon öfter unsere Ausweis vorzeigen und unser Auto wurde durchsucht. Die Taschenmesser haben wir diesmal nicht dabei. Ansonsten begegnet uns die Polizei mit Respekt und verständnisvoll.
Am Sonntagnachmittag beteiligten wir uns an kleinen Arbeiten im Infozelt und beschafften uns einen Überblick über die aktuelle Lage. Die bestehenden Freiwilligenstrukturen funktionieren sehr gut, weshalb wir uns ein passendes Projekt für die kommenden Tage überlegten. Hier kommen sehr oft Menschen mit großen Mengen an Sachspenden an und verteilen diese direkt aus dem Auto. Das führt meistens zu einem großen Chaos, bei dem oft nur die Stärksten etwas abbekommen.
Darum bauen wir nun ein „Distribution-Center“. Also eine Zeltkonstruktion mit einem großen Tor an der Hinterseite, damit die die Autos direkt an das „Distribution-Center“ heranfahren können, die Spenden in Ruhe auspacken und sortieren können und dann an der Vorderseite durch eine Theke geregelt ausgegeben werden können. Die Konstruktion ist den Hütten, die in Calais gebaut wurden, sehr ähnlich.
Der Montag begann mit einer Fahrt zum Baumarkt um die nötigen Materialien dafür zu besorgen. Da es mittlerweile sehr heiß in Idomeni geworden ist, merken wir, dass es für uns wesentlich anstrengender zu arbeiten ist als noch vor 2 Wochen. Bis heute haben wir beide Seitenwände fast fertig und morgen fällt bei einem Treffen mit anderen Freiwilligen die Entscheidung, wo das „Distribution-Center“ stehen wird.
Die zwei Fußballtore, die wir heute (mit Hilfe syrischer Handwerker) spontan zusammengezimmert haben wurden dankend angenommen. Kaum stand das erste Tor, waren schon die ersten Kinder und Jugendlichen da, um die Tore direkt einzuspielen.
Gestern kam es zu einem traurigen Vorfall. Ein Mann stürzte von einem Baum auf die Straße und geriet unter die Räder von einem Polizeiauto, das gerade rückwärts fuhr. Der Mann wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. Durch unbestätigte Quellen haben wir gehört, dass der Mann heute Morgen seinen Verletzungen erlag.
Wir haben uns sehr gefreut, bekannte Gesichter unter den Freiwilligen und auch unter den Flüchtenden wieder zu sehen. Vor allem hat es uns gefreut, dass immer mehr Flüchtende bei der Arbeit der Freiwilligen gleichberechtigt mitarbeiten und sogar teilweise mit im Freiwilligenhaus schlafen.
verfasst von Florian und Anika
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