Zunächst ein Rückblick auf unsere Versuche, die Aufmerksamkeit des EU Parlaments auf Border Violence Monitoring zu lenken: Im Juni 2018 hat Dietmar Köster, (MoP, S&D) eine Anfrage im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments gestellt. Er befragte die anwesenden Vertreter*innen des Frontex Consultative Forums über die Rolle von Frontex bei Menschenrechtsverletzungen an den Grenzen von Ungarn, Kroatien und Serbien. Zusammen mit Köster bereiteten wir diese Anfrage vor, die sich unter anderem auch auf unsere Datenbank bezieht.

Zeitgleich – und ebenso mit Verweis auf unsere Arbeit – stellte Köster eine schriftliche Anfrage an die EU Komission, in der er um eine „Stellungnahme zu menschenrechtsverletzenden Praktiken der Grenzpolizei der EU-Staaten Kroatien, Ungarn und Slowenien“ bat. Die Fragen zielten unter anderem darauf ab, die EU zu einer klareren Position gegenüber dem Ungarischen Innenministerium zu bewegen, das die alltäglich ausgeübte Gewalt seiner Grenzpolizei immer noch herunterspielt. Außerdem fragte er nach geplanten Maßnahmen, um zukünftige illegale Kollektivausweisungen von Asylsuchenden in Ungarn, Kroatien und Slowenien zu verhindern.

Vor ein paar Wochen wurde die Anfrage von Dimitris Avramopoulos im Namen der EU Komission beantwortet:

Die Kommission hat 2015 in Bezug auf die ungarischen migrations‐ und asylrechtlichen Vorschriften ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet, weil kein wirksamer Zugang zum Asylverfahren geboten wird, die Bestimmungen zum Rückgriff auf ein Verfahren an der Grenze nicht eingehalten werden, Asylbewerber in Transitzonen ohne jegliche Verfahrensgarantien systematisch und unbefristet in Haft genommen und Migranten (auch Asylsuchende) umgehend nach Serbien rückgeführt werden. Dieses Vertragsverletzungsverfahren ist noch anhängig.
(http://www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-8-2018-003085-ASW_DE.html)

Die Antwort erscheint uns in Hinblick auf die schwerwiegenden Vorwürfe sehr unbefriedigend, da die Fehlleistungen der ungarischen Migrationspolitik seit 2015 bekannt sind und Verfahren der EU bis heute andauern ohne abgeschlossen worden zu sein.Während dieses Vetragsverletzungsverfahren sich ohne erkennbare Konsequenzen hinzieht, wird am Status Quo an den ungarischen Grenzen nicht gerüttelt. Das bedeutet, dass systematische Menschenrechtsverletzungen dort weiterhin an der Tagesordnung sind, wenngleich die Situation immerhin nicht mehr von der Komission geleugnet wird.

Pressekonferenz von Kommissar Dimitris Avramopoulos, Europäischer Kommissar für Migration, Inneres und Unionsbürgerschaft

 

Weiter schrieb Avramopoulos:

Alle Maßnahmen zum Schutz der EU-Außengrenzen sind unter vollständiger Wahrung der Grundrechte anzuwenden. Was die mutmaßliche Gewaltanwendung an der ungarischen Grenze betrifft, so wird die Kommission die Lage vor Ort weiterhin genau verfolgen und im Falle nachweislicher Verstöße gegen EU-Recht alle angemessenen Schritte ergreifen.

Wir würden uns sehr freuen, wenn die EU Komission endlich damit beginnen würde, ernsthafte Nachforschungen zu betreiben anstatt die Lage vor Ort so „genau“ zu verfolgen, wie sie es anscheinend die letzten Jahre über (nicht) tat. Dass wir als kleine NGO mit Kapazitäten, die überhaupt nicht mit den durchaus weitreichenderen der EU Komission vergleichbar sind, seit mehr als einem Jahr diese vermeintlich unsichtbaren Menschenrechtsverletzungen dokumentieren müssen, ist untragbar.

Auch mit den kroatischen Behörden steht die Kommission wegen der Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems in Kontakt, auch in Bezug auf Vorwürfe, Drittstaatsangehörigen werde die Möglichkeit zur Beantragung, internationalen Schutzes verwehrt. Es obliegt den kroatischen Behörden, diesen Vorwürfen mit glaubwürdigen Untersuchungen nach nationalem Recht nachzugehen.

Auch wenn die kroatischen Behörden auf die Vorwürfe reagieren müssen, sollte es stärker im Interesse der EU Kommission sein, ihre eigenen asylrechtlichen Standards sicherzustellen. Stattdessen wird die Verantwortung für das Versagen des Europäischen Asylsystems wieder einmal auf einen der Mitgliedsstaaten im Balkan abgewälzt.

Von Chandra


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